Live-Performance vor Publikum
Berlin 2016
Du fühlst dich nicht richtig, egal wohin du gehst, egal wo du bist. Du versuchst dich von zwei Auswahlmöglichkeiten an der einen – es passt nicht, du versuchst dich an der anderen – es passt wieder nicht. Wohin sollst du gehen? Du wirst ausgestoßen, zum Einzelfall, diskriminiert. Du fühlst Scham. Die Künstlerin verarbeitet in ihrer Performance “Scham” Kindheitserinnerungen und Zu- und Umstände von Geschlecht, die sie bis heute geprägt und beeinflusst haben.
Die Performance findet in einem gekachelten Raum statt (eine ehemalige Metzgerei, nun eine Kneipe). Entspannte eintönige Musik läuft. Ein Beamer wirft ein Bild auf die Wand: die Symbole von Männer- und Frauenklo sowie ein Schulfoto der Künstlerin als 7-Jährige. Die Künstlerin sitzt in weißer Kleidung auf einem Stuhl vor der Projektion. Ihr gegenüber steht ein leerer Stuhl mit einem Blattpapier auf dem steht: “Please sit down here”. Innerhalb von ca. einer Stunde betreten die Besucher_innen den Raum und manche setzen sich auf den Stuhl und werden von der Künstlerin mit Wachsmalstiften gezeichnet. Ein Fragezeichen wird auf die Brust der Zeichnungen dazu gezeichnet; die portraitierten Personen müssen sich entscheiden, wohin sie ihre Zeichnung legen wollen: Frauenklo, Männerklo oder dazwischen (Kindheitsfoto der Künstlerin). Der Raum ist voll, niemand möchte sich mehr zeichnen lassen, also stellt die Künstlerin alle Requisiten zur Seite, nur das Blatt mit “Please sit down here” legt sie umgedreht unter ihren Stuhl und setzt sich auf diesen. Sie uriniert sitzend und voll bekleidet auf den Stuhl, auf das Blatt. Dann steht sie auf und breitet ihre Arme aus. Die Projektion wechselt zu einer Zielscheibe und dem Schriftzug “Shoot”. Die Besucher_innen werfen die Künstlerin mit gekochter roter Bete ab, welche im Raum verteilt in kleinen Kisten steht. Die rote Bete hinterlässt Schusswunden. Die Künstlerin fällt zu Boden, die Musik geht aus, das Bild wird schwarz, der Raum wird dunkel. Etwa 3 Minuten lang herrscht Stille. Dann steht die Künstlerin auf und bevor sie den Raum verlässt, klärt sie das Publikum auf:
It happened when I was about 7 years old. I was in elementary school and I was sitting in class during the afternoon lessons. I needed to pee so badly. But I didn’t dare to stand up and ask to go. It happened to me once before that somebody yelled at me, because I was using the boys bathroom, but I didn’t feel like a girl and I didn’t look like one, so I also didn’t want to use the girls bathroom. So it happened that I couldn’t hold it in anymore and I peed myself sitting on my chair in the classroom. I was so ashamed. My pants were soaked and it dropped from my chair onto the floor. I was so ashamed and I was bullied afterwards. Everybody in my school knew about it. Which bathroom should I have used? Which bathroom should I use now? Which bathroom do you want to use or should you use? Is there even a “should”? Why are our genders publicly only divided into male and female? Should I be ashamed to use the men’s bathroom? And should I be ashamed now, as a woman, that I have peed in public, that I have peed myself?
Kommentar einer Besucherin: “Pissen als Poesie”.
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